Augenverletzungen gehören zu den häufigsten Arbeitsunfällen. Jährlich werden allein in Deutschland über 30.000 Augenverletzungen bei der Arbeit gemeldet – viele davon mit bleibenden Schäden bis hin zur Erblindung. Das Tragische: Die meisten dieser Verletzungen wären durch das Tragen einer geeigneten Schutzbrille vermeidbar gewesen. Doch welche Schutzbrille schützt vor welchen Gefahren? Was bedeuten die Normen und Kennzeichnungen? Und worauf sollten Sie beim Kauf achten? Dieser umfassende Ratgeber liefert alle wichtigen Informationen für Arbeitgeber, Sicherheitsbeauftragte und Arbeitnehmer. Die richtige Gefährdungsbeurteilung für PSA hilft dabei, die passende Schutzbrille systematisch auszuwählen.
Warum Augenschutz am Arbeitsplatz unverzichtbar ist
Das menschliche Auge ist hochsensibel und gleichzeitig extrem verletzlich. Schon kleinste Partikel können schwere Schäden verursachen, und viele Augenverletzungen sind irreversibel.
Typische Gefährdungen für die Augen am Arbeitsplatz:
Mechanische Gefährdungen: Abfliegende Späne bei Dreharbeiten, Splitter beim Meißeln, Steinpartikel beim Schleifen, Holzstaub beim Sägen, Metallspritzer beim Schweißen. Selbst winzige Partikel können die Hornhaut verletzen oder ins Auge eindringen.
Chemische Gefährdungen: Säurespritzer in Laboren oder Galvanikbetrieben, Laugen in der Reinigung, Lösungsmittel in Lackierereien, ätzende Dämpfe in der chemischen Industrie. Chemische Verätzungen können innerhalb von Sekunden zur Erblindung führen.
Thermische Gefährdungen: Heiße Spritzer beim Schweißen oder Gießen, Funkenflug bei Trennschleifarbeiten, Hitzestrahlungsbeim Ofenbetrieb. Verbrennungen der Hornhaut und Netzhautschäden sind mögliche Folgen.
Optische Strahlung: UV-Strahlung beim Schweißen (Verblitzung), Infrarotstrahlung bei Hochtemperaturprozessen (Grauer Star), Laserstrahlung in Industrie und Forschung (sofortige Netzhautschäden). Optische Strahlenschäden treten oft verzögert auf und werden zunächst nicht bemerkt.
Biologische Arbeitsstoffe: Kontamination durch Blut, Körperflüssigkeiten oder infektiöse Aerosole in Gesundheitswesen, Laboren oder Abfallwirtschaft.
Staub und Partikel: Feinstaub bei Schleif- und Polierarbeiten, Mehlstaub in Bäckereien, Holzstaub in Schreinereien, Mineralfasern beim Dämmstoffeinbau. Dauerbelastung kann zu chronischen Augenreizungen führen.
Eine Schutzbrille schützt effektiv vor all diesen Gefahren – wenn sie richtig ausgewählt und konsequent getragen wird.
Gesetzliche Grundlagen für Augenschutz
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Sind die Augen gefährdet und lassen sich Risiken nicht durch technische oder organisatorische Maßnahmen beseitigen, muss geeignete PSA – in diesem Fall Schutzbrillen – bereitgestellt werden.
PSA-Verordnung EU 2016/425: Schutzbrillen sind je nach Schutzfunktion PSA der Kategorie II (mittlere Risiken, z.B. mechanischer Schutz, UV-Schutz) oder Kategorie III (hohe Risiken, z.B. Chemikalienschutz, Schweißerschutz). Sie müssen CE-zertifiziert und nach harmonisierten Normen geprüft sein.
DGUV Regel 112-192: Benutzung von Augen- und Gesichtsschutz. Gibt konkrete Hinweise zur Auswahl, Benutzung und Pflege von Schutzbrillen.
Arbeitsmedizinische Vorsorge: Bei Tätigkeiten mit Augengefährdung sollte der Arbeitgeber arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten. Regelmäßige Sehtests helfen, Veränderungen frühzeitig zu erkennen.
Tragepflicht: Wo Schutzbrillen erforderlich sind, müssen Arbeitnehmer diese tragen. Wer die Schutzbrille nicht trägt, obwohl Tragepflicht besteht, begeht eine Ordnungswidrigkeit und riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Die EN 166 Norm: Anforderungen an Schutzbrillen
Die europäische Norm EN 166 definiert Anforderungen an den persönlichen Augenschutz und legt Prüfverfahren, Kennzeichnungen und Leistungsklassen fest.
Grundanforderungen nach EN 166
Jede Schutzbrille nach EN 166 muss folgende Grundanforderungen erfüllen:
Optische Anforderungen: Scheiben dürfen keine optischen Fehler aufweisen, die das Sehen beeinträchtigen oder zu Ermüdung führen. Die optische Klasse (1, 2 oder 3) gibt Auskunft über die Qualität.
Mechanische Festigkeit: Schutz vor mechanischen Einwirkungen durch Partikel unterschiedlicher Energie. Klassifizierung in S, F, B oder A je nach Aufprallenergie.
Beständigkeit: Resistenz gegen Alterung, Korrosion, Entflammung und Hitze je nach Einsatzbereich.
Sichtfeld: Ausreichendes Gesichtsfeld für sichere Wahrnehmung der Umgebung.
Tragekomfort: Anpassbare Bügel oder Kopfbänder, keine Druckstellen, ausreichende Belüftung.
Kennzeichnung: Klare, dauerhafte Kennzeichnung mit Herstellerangaben, Normen, Schutzstufen und Leistungsklassen.
Optische Klassen: Sehqualität der Schutzbrille
Die optische Klasse gibt an, wie gut die optische Qualität der Scheiben ist und für welche Tragedauer die Brille geeignet ist:
Optische Klasse 1: Höchste optische Qualität, keine oder minimale optische Verzerrung. Für dauerndes Tragen geeignet. Vorgeschrieben für alle Arbeiten, bei denen die Schutzbrille über längere Zeit getragen wird.
Optische Klasse 2: Mittlere optische Qualität, geringe Verzerrungen möglich. Für gelegentliches Tragen geeignet, nicht für Dauernutzung. Kann bei längerem Tragen zu Augenermüdung führen.
Optische Klasse 3: Niedrigste zulässige optische Qualität, nur für kurzzeitige Nutzung. Für Dauerarbeit ungeeignet. Wird heute kaum noch hergestellt.
Wichtig: Für professionellen Arbeitsschutz sollten Sie ausschließlich Schutzbrillen der optischen Klasse 1 wählen. Nur diese gewährleisten ermüdungsfreies Arbeiten über eine volle Schicht.
Mechanische Festigkeitsklassen
Die mechanische Festigkeitsklasse gibt an, welchen Aufprallenergien die Schutzbrille standhält. Geprüft wird mit Stahlkugeln definierter Masse und Geschwindigkeit.
S (erhöhte Festigkeit): Grundfestigkeit, Schutz gegen schwache mechanische Einwirkungen. Keine spezifische Aufprallprüfung. Für Bereiche mit geringen mechanischen Risiken.
F (niedrige Energie): Aufprall einer 6 mm Stahlkugel mit 45 m/s. Schutz gegen geringe mechanische Risiken wie leichte Partikel, Staub. Geeignet für Montagearbeiten, Maschinenbedienung, allgemeine Werkstattarbeiten.
B (mittlere Energie): Aufprall einer 6 mm Stahlkugel mit 120 m/s. Schutz gegen mittlere mechanische Risiken. Standard für die meisten handwerklichen Tätigkeiten: Metallbearbeitung, Holzbearbeitung, Bauarbeiten, Steinbearbeitung.
A (hohe Energie): Aufprall einer 6 mm Stahlkugel mit 190 m/s. Höchster mechanischer Schutz gegen hohe kinetische Energien. Für extreme Bedingungen: Arbeiten mit Hochgeschwindigkeitsmaschinen, Sprengtätigkeiten, besonders gefährliche Schleif- oder Trennarbeiten.
Für die meisten Arbeiten im Handwerk und Industrie ist Klasse B (mittlere Energie) der richtige Schutz. F reicht für leichte Montagearbeiten, A ist Spezialsituationen vorbehalten.
Zusätzliche Schutzkennzeichnungen
Neben der mechanischen Festigkeitsklasse gibt es weitere Kennzeichnungen für spezielle Schutzfunktionen:
3 – Schutz gegen Flüssigkeiten: Schutzbrille schützt gegen Spritzer von Flüssigkeiten (Tropfen und Sprays). Wichtig in Laboren, bei Reinigungsarbeiten, Umgang mit Kühlschmierstoffen.
4 – Schutz gegen Grobstaub: Partikel größer 5 Mikrometer. Für staubige Umgebungen: Schleifarbeiten, Steinbearbeitung, Bauarbeiten.
5 – Schutz gegen Gas und Feinststaub: Partikel kleiner 5 Mikrometer. Dicht schließende Vollsichtbrille erforderlich. Für Lackierarbeiten, Umgang mit Stäuben und Aerosolen, chemische Industrie.
8 – Kurzschluss-Lichtbogen: Schutz gegen elektrischen Lichtbogen. Für Arbeiten an unter Spannung stehenden Anlagen.
9 – Schutz gegen geschmolzenes Metall und heiße Festkörper: Schweißerschutzbrillen, Gießereien, Hochtemperaturarbeiten.
K – Beständigkeit gegen Oberflächenbeschädigung durch Feinpartikel: Anti-Kratz-Beschichtung. Verlängert Lebensdauer in staubigen, abrasiven Umgebungen.
N – Beständigkeit gegen Beschlag: Anti-Beschlag-Beschichtung. Verhindert Kondensation bei Temperaturwechseln oder körperlicher Anstrengung.
Schutzstufen für optische Strahlung: Nummern 2 bis 7 (UV, Infrarot, Blendschutz) – wichtig beim Schweißen, Laserschutz, Hochtemperaturarbeiten. Wird im Abschnitt zu Schweißerschutzbrillen detailliert behandelt.
Kennzeichnung verstehen
Auf jeder Schutzbrille finden Sie Kennzeichnungen am Brillengestell und/oder den Scheiben:
Beispiel Gestell: “Hersteller EN 166 F CE”
- Hersteller: Name oder Marke
- EN 166: Norm für Augenschutz
- F: Mechanische Festigkeitsklasse (niedrige Energie)
- CE: CE-Kennzeichnung mit Prüfstellennummer
Beispiel Scheibe: “1 F K N”
- 1: Optische Klasse 1 (dauerndes Tragen)
- F: Mechanische Festigkeitsklasse (niedrige Energie)
- K: Kratzfest
- N: Beschlagfrei
Beispiel Schweißerschutzbrille: “Hersteller EN 166 3 B 1,7 CE”
- 3: Schutz gegen Flüssigkeiten
- B: Mittlere Energie
- 1,7: Schutzstufe gegen UV und Infrarot (leichtes Schweißen, Autogenschweißen)
Arten von Schutzbrillen im Überblick
Es gibt verschiedene Bauformen von Schutzbrillen für unterschiedliche Einsatzbereiche:
Bügelbrille (Schutzbrille ohne Seitenschutz)
Sieht einer normalen Brille ähnlich, mit verstärkten Scheiben und robusten Bügeln.
Schutzfunktion: Schutz nur gegen frontal einwirkende Gefahren. Kein Seitenschutz.
Einsatzgebiete: Leichte Montagearbeiten, Maschinenbedienung, Bereiche mit geringen mechanischen Risiken, Labore (bei geringen chemischen Risiken).
Vorteile: Leicht, komfortabel, brillenträgerfreundlich (kann teils mit Sehstärke ausgestattet werden), gute Belüftung.
Nachteile: Kein Rundumschutz. Für die meisten handwerklichen Arbeiten unzureichend.
Beispiele: Uvex Super Fit, 3M SecureFit SF400.
Vollsichtbrille mit Seitenschutz
Brille mit verlängerten, seitlich anliegenden Scheiben oder separatem Seitenschutz.
Schutzfunktion: Schutz gegen frontal und seitlich einfliegende Partikel.
Einsatzgebiete: Standard für die meisten handwerklichen und industriellen Arbeiten: Metallbearbeitung, Holzverarbeitung, Bauarbeiten, allgemeine Werkstattarbeiten.
Vorteile: Guter Rundumschutz, trotzdem relativ leicht und gut belüftet, für Brillenträger als Überbrille erhältlich.
Nachteile: Nicht völlig dicht (Staub und Spritzer können bei extremer Belastung eindringen).
Beispiele: Uvex Sportstyle, 3M Solus, Bolle Rush+.
Korbbrille (rundum geschlossene Schutzbrille)
Brille mit elastischem Kopfband, die dicht am Gesicht anliegt. Indirekter Belüftung über seitliche Ventilationsöffnungen.
Schutzfunktion: Schutz gegen Partikel, Staub, Spritzer. Rundum geschlossen mit kontrollierter Belüftung.
Einsatzgebiete: Staubige Umgebungen (Schleifen, Steinbearbeitung), Spritzschutz (Labor, Reinigung), Lackierarbeiten (in Kombination mit Atemschutz).
Vorteile: Hoher Schutz, sitzt fest, für Brillenträger oft mit Einsatz für normale Brille.
Nachteile: Kann beschlagen (Anti-Fog-Beschichtung wichtig), etwas eingeschränktes Sichtfeld, nicht für alle Gesichtsformen passend.
Beispiele: Uvex Ultravision, 3M 2890.
Überbrille für Brillenträger
Schutzbrille, die groß genug ist, um über einer normalen Korrekturbrille getragen zu werden.
Schutzfunktion: Je nach Modell Schutz wie Vollsichtbrille oder Korbbrille.
Einsatzgebiete: Für alle Bereiche, in denen Brillenträger Augenschutz benötigen.
Vorteile: Einfache Lösung, keine Sonderanfertigung nötig, flexibel nutzbar.
Nachteile: Manchmal unbequem (zwei Brillen übereinander), kann drücken, eingeschränktes Sichtfeld, Anti-Beschlag-Beschichtung besonders wichtig.
Beispiele: Uvex Super OTG (Over-The-Glasses), 3M 2800.
Schutzbrille mit Sehstärke (Korrektionsschutzbrille)
Schutzbrille mit individuell geschliffenen Gläsern entsprechend der benötigten Sehstärke.
Schutzfunktion: Voller Schutz (je nach Modell) kombiniert mit Sehkorrektur.
Einsatzgebiete: Für Brillenträger, die täglich Schutzbrille tragen müssen.
Vorteile: Höchster Komfort, keine Überbrille nötig, optimale Sicht, keine zwei Brillen.
Nachteile: Teurer (80 bis 200 Euro), individuelle Anfertigung nötig, bei Sehstärkenänderung neue Brille erforderlich.
Wichtig: Viele Hersteller und Optiker bieten Schutzbrillen mit Sehstärke an. Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, wenn die Schutzbrille beruflich erforderlich ist.
Schweißerschutzbrillen und Schweißerschutzschilde
Spezieller Augenschutz mit Filter gegen intensive optische Strahlung beim Schweißen.
Schutzfunktion: Absorbiert UV- und Infrarotstrahlung sowie sichtbares Licht. Schutzstufen 1,2 bis 16 je nach Schweißverfahren und Stromstärke.
Schutzstufen-Auswahl:
- Autogenschweißen: Stufe 4 bis 7
- WIG-Schweißen: Stufe 8 bis 12
- MIG/MAG-Schweißen: Stufe 9 bis 13
- Lichtbogenhandschweißen (Elektrodenschweißen): Stufe 9 bis 14
- Plasmaschneiden: Stufe 9 bis 15
Automatische Schweißerschutzfilter: Elektronische Filter, die sich in Millisekunden automatisch an die Helligkeit anpassen. Bei Lichtbogenzündung dunkel, beim Pausieren hell. Deutlich komfortabler als feste Filter. Kosten: 40 bis 300 Euro.
Einsatzgebiete: Alle Schweißverfahren, Brennschneiden, Löten, Plasmaschneiden.
Wichtig: Normale Schutzbrillen bieten keinen Schutz vor Schweißstrahlung. “Verblitzen” (Keratokonjunktivitis photoelectrica, Schweißerblitz) verursacht starke Schmerzen und kann die Hornhaut dauerhaft schädigen.
Laserschutzbrillen
Hochspezialisierte Schutzbrillen zum Schutz vor Laserstrahlung.
Schutzfunktion: Absorbiert oder reflektiert Laserstrahlung spezifischer Wellenlängen. Schutzbrillen sind wellenlängenspezifisch und müssen exakt zum verwendeten Laser passen.
Kennzeichnung: LB-Rating gibt Schutzklasse und Wellenlänge an (z.B. “LB5 800-1070 nm” für Infrarot-Laser).
Einsatzgebiete: Laserschneiden, Laserschweißen, Lasermarkierung, Forschung, Medizin (Lasertherapie, Augenheilkunde).
Wichtig: Laserschutzbrillen müssen exakt zum Laser passen. Falsche Brille bietet keinen Schutz. Laserstrahlung kann in Bruchteilen von Sekunden zur Erblindung führen. Niemals ohne geeigneten Schutz arbeiten.
Beschichtungen und Zusatzfunktionen
Moderne Schutzbrillen bieten verschiedene Beschichtungen, die Funktion und Komfort verbessern:
Anti-Kratz-Beschichtung (K)
Harte Oberflächenbeschichtung macht Scheiben widerstandsfähig gegen Kratzer durch Staub und Partikel.
Vorteile: Längere Lebensdauer, klare Sicht bleibt länger erhalten, wichtig in abrasiven Umgebungen (Schleifen, Steinbearbeitung).
Kennzeichnung: K nach EN 166
Anti-Beschlag-Beschichtung (N)
Hydrophile Beschichtung verhindert Kondensation von Wasserdampf auf der Innenseite.
Vorteile: Keine beschlagenen Scheiben bei Temperaturwechseln, körperlicher Anstrengung oder in Kombination mit Atemschutzmasken. Unverzichtbar für komfortables Arbeiten.
Kennzeichnung: N nach EN 166
Tipp: Auch die beste Anti-Fog-Beschichtung nutzt sich ab. Regelmäßige Nachbehandlung mit Anti-Fog-Spray oder -Tüchern verlängert die Wirkung.
UV-Schutz
Filtert UV-Strahlung (ultraviolett). Wichtig bei Arbeiten im Freien, in der Nähe von Schweißarbeiten oder UV-Lichtquellen.
Kennzeichnung: 2C (UV-Filter ohne Infrarotschutz), 3 oder höher (UV und sichtbares Licht).
Wichtig: UV-Schäden am Auge sind kumulativ und oft erst nach Jahren sichtbar (Grauer Star, Netzhautschäden).
Verspiegelte Beschichtungen
Reflektieren Infrarotstrahlung und intensives sichtbares Licht. Reduzieren Blendung.
Einsatzgebiete: Arbeiten in sehr hellen Umgebungen, in der Nähe von Hochtemperaturprozessen, Außenarbeiten bei starker Sonneneinstrahlung.
Vorteil: Angenehmes Sehen bei hoher Lichtintensität.
Nachteil: Reduziert sichtbares Licht – nicht geeignet für Bereiche mit normalen Lichtverhältnissen oder Dämmerung.
Farbige Scheiben
Verschiedene Scheibenfarben haben unterschiedliche Eigenschaften:
Klar/farblos: Standard für die meisten Anwendungen. Neutrale Farbwiedergabe.
Grau: Reduziert Helligkeit gleichmäßig über alle Wellenlängen. Guter Blendschutz bei neutraler Farbwiedergabe. Für Außenarbeiten bei Sonne.
Gelb/Orange/Amber: Erhöht Kontrast, filtert Blauanteile. Für schlechte Lichtverhältnisse (Dämmerung, Nebel, künstliches Licht). Beliebt bei Forstarbeitern, Jägern.
Braun: Hoher Blendschutz, guter Kontrast. Für Außenarbeiten und wechselnde Lichtverhältnisse.
Verspiegelt (silber, gold, blau): Reflektiert Infrarot und intensive Strahlung. Für Hochtemperaturarbeiten, sehr helle Umgebungen.
Selbsttönende (photochromatische) Scheiben
Passen sich automatisch an Lichtintensität an: Dunkel bei Helligkeit, hell bei Dunkelheit.
Vorteile: Vielseitig, kein Brillenwechsel bei wechselnden Lichtverhältnissen.
Nachteile: Teurer, reagieren träge (einige Sekunden bis Minuten), funktionieren nicht in geschlossenen Räumen ohne UV-Strahlung.
Einsatzgebiete: Außenarbeiten mit wechselnden Lichtverhältnissen, Bauarbeiten, Garten- und Landschaftsbau.
Auswahl der richtigen Schutzbrille
Die Auswahl muss auf der Gefährdungsbeurteilung basieren. Folgende Schritte helfen:
1. Gefährdungen identifizieren
Welchen Risiken sind die Augen ausgesetzt?
Mechanisch: Welche Art von Partikeln? Wie schnell/energiereich? Frontal oder auch seitlich? Bestimmt Festigkeitsklasse (F, B, A) und Bauform (Bügelbrille, Vollsichtbrille).
Chemisch: Spritzer, Dämpfe, Gase? Bestimmt Bauform (dicht schließende Vollsichtbrille, Kennzeichnung 3 oder 5).
Optisch: UV, Infrarot, Laser, Schweißen? Bestimmt Filter und Schutzstufe.
Staub: Grobstaub oder Feinststaub? Bestimmt Bauform (Korbbrille) und Kennzeichnung (4 oder 5).
Beispiele:
- Metalldrehen: Mechanisch (Späne, mittlere Energie) → Vollsichtbrille, Klasse B
- Schleifen mit Winkelschleifer: Mechanisch (Funken, hohe Geschwindigkeit) → Vollsichtbrille, Klasse B, Anti-Kratz
- Schweißen (MIG/MAG): Optisch (UV, Infrarot, Blendung) → Schweißerschutzbrille Stufe 9-13
- Labor (Säuren): Chemisch (Spritzer) → Korbbrille oder Vollsichtbrille, Kennzeichnung 3
- Lackieren: Chemisch (Dämpfe, Spritzer) → Vollsichtbrille, Kennzeichnung 5, in Kombination mit Atemschutz
2. Optische Klasse wählen
Für alle Arbeiten, bei denen die Schutzbrille länger als gelegentlich getragen wird: Optische Klasse 1. Nur bei kurzzeitigen Einsätzen kann Klasse 2 akzeptabel sein.
3. Tragekomfort berücksichtigen
Ganztagseinsatz: Leichte Vollsichtbrille mit guter Belüftung, Anti-Beschlag unbedingt erforderlich. Verstellbare Bügel für individuelle Anpassung.
Kombination mit Schutzhelm: Kurze Bügel oder Modelle mit Helmadapter. Nicht alle Schutzbrillen passen unter jeden Helm.
Kombination mit Atemschutzmaske: Anti-Beschlag-Beschichtung zwingend erforderlich (Atemluft kondensiert auf Brillenscheiben). Brillen mit Nasendichtung oder guter Belüftung wählen. Mehr zur richtigen Atemschutzmaske im Arbeitsschutz und der optimalen Kombinationslösung.
Hohe Temperaturen: Gute Belüftung, leichte Materialien, Anti-Beschlag-Beschichtung.
Staubige Umgebung: Korbbrille mit indirekter Belüftung, Anti-Kratz-Beschichtung.
Wechselnde Lichtverhältnisse: Selbsttönende Scheiben oder austauschbare Scheiben in verschiedenen Tönungen.
4. Brillenträger-Lösungen
Kontaktlinsen + normale Schutzbrille: Oft die einfachste und komfortabelste Lösung, wenn medizinisch möglich.
Überbrille: Günstig, flexibel, aber manchmal unbequem. Testen, ob Passform akzeptabel ist.
Schutzbrille mit Sehstärke: Höchster Komfort, lohnt sich bei täglichem Einsatz. Kosten: 80 bis 200 Euro, getragen vom Arbeitgeber.
Korbbrille mit Brilleneinsatz: Spezielle Korbrillen haben Halterungen für normale Brillen. Gute Lösung für staubige oder spritzgefährdete Bereiche.
5. Passform testen
Schutzbrillen müssen individuell passen. Nasenauflage und Bügel sollten verstellbar sein. Die Brille darf nicht drücken, rutschen oder das Sichtfeld zu stark einschränken.
Tipp: Lassen Sie Mitarbeiter verschiedene Modelle testen. Die beste Schutzbrille ist die, die getragen wird – und das tun Menschen nur, wenn sie bequem ist.
Bekannte Hersteller von Schutzbrillen
Uvex: Deutscher Marktführer im Bereich Arbeitsschutz. Breites Sortiment an Schutzbrillen für alle Einsatzbereiche. Serien wie Sportstyle, Pheos, Ultravision sind Klassiker. Hohe Qualität, gute Ersatzteilversorgung.
3M: US-Weltkonzern mit innovativen Schutzbrillen. SecureFit-Technologie passt sich automatisch an Kopfform an. Solus-Serie sehr beliebt. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Bolle Safety: Französischer Traditionshersteller. Bekannt für stilvolle, sportliche Designs. Rush+, Tracker, Silium+ sind etablierte Modelle. Gute optische Qualität.
Honeywell: US-Konzern mit großem Sortiment. Marke Uvex (nach Übernahme von Sperian). Robust und zuverlässig.
MSA: US-Hersteller von Sicherheitsausrüstung. Altair, Racers, Perspecta sind bewährte Schutzbrillen. Schwerpunkt auf Robustheit.
Pyramex: US-Hersteller mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Besonders in Nordamerika verbreitet. In Europa zunehmend präsent.
Dräger: Deutscher Premium-Hersteller. Spezialist für Vollsicht- und Chemikalienschutzbrillen. X-pect-Serie für anspruchsvolle Einsätze.
Optrel: Schweizer Spezialist für Schweißerschutzbrillen mit automatischen Filtern. Höchste Qualität, aber hochpreisig. Crystal 2.0 und Vegaview sind Spitzenprodukte.
JSP: Britischer Hersteller mit solidem Sortiment. Stealth-Serie bietet gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Pflege und Wartung von Schutzbrillen
Richtige Pflege verlängert die Lebensdauer und erhält die Schutzwirkung:
Reinigung
Nach jedem Einsatz: Scheiben mit lauwarmem Wasser abspülen, um grobe Verschmutzungen zu entfernen. Mit weichem, fusselfreiem Tuch (Mikrofaser) trocken tupfen, nicht reiben.
Bei stärkerer Verschmutzung: Lauwarmes Wasser mit mildem Spülmittel oder Seife. Scheiben sanft reinigen, gründlich abspülen, trocknen.
Was Sie vermeiden sollten:
- Keine Lösungsmittel, Alkohol, aggressive Reiniger (schädigen Beschichtungen)
- Nicht mit trockenem Tuch über staubige Scheiben reiben (Kratzer)
- Keine heißen Temperaturen (verziehen Kunststoff)
- Nicht in der Spülmaschine (zerstört Beschichtungen)
Spezielle Reinigungstücher: Hersteller bieten oft spezielle Brillenreinigungstücher, die beschichtungsverträglich sind.
Anti-Beschlag-Behandlung erneuern
Anti-Fog-Beschichtungen nutzen sich ab. Regelmäßige Nachbehandlung mit Anti-Fog-Spray, -Gel oder -Tüchern erhält die Wirkung. Anwendung nach Herstellerangabe.
Inspektion
Vor jedem Einsatz kurze Sichtkontrolle:
Scheiben: Kratzer, Risse, Trübungen, Beschädigungen? Stark verkratzte Scheiben beeinträchtigen Sicht und Schutzwirkung.
Bügel/Kopfband: Risse, Verformungen, nachlassende Elastizität?
Dichtungen (bei Vollsichtbrillen): Verhärtung, Risse, fehlende Teile?
Beschichtung: Abblättern, Verfärbungen?
Bei Mängeln: Schutzbrille austauschen oder reparieren (Herstellerersatzteile).
Lagerung
Aufbewahrung: In Etui, Schutztasche oder Aufbewahrungsbox. Schützt vor Kratzern, Staub und Beschädigungen.
Umgebung: Trocken, vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt (UV beschleunigt Alterung).
Nicht: Lose in Werkzeugkiste oder Tasche (Kratzer), auf der Heizung, im heißen Auto.
Austausch
Wann austauschen?
- Starke Kratzer, die Sicht beeinträchtigen
- Risse oder Brüche in Scheiben oder Gestell
- Verformung, die Passform beeinträchtigt
- Beschichtungen stark abgenutzt (ständiges Beschlagen trotz Anti-Fog-Behandlung)
- Nach starker mechanischer Einwirkung (Aufprall), selbst wenn keine sichtbaren Schäden
Lebensdauer: Hängt von Einsatzbedingungen ab. Bei täglicher Nutzung in rauer Umgebung: 6 bis 12 Monate. Bei gelegentlicher Nutzung und guter Pflege: Mehrere Jahre.
Austauschbare Scheiben: Manche Modelle haben austauschbare Scheiben. Kostengünstiger als kompletter Brillenaustausch.
Häufige Fehler vermeiden
Falsche Schutzklasse: Bügelbrille ohne Seitenschutz beim Schleifen – bietet keinen ausreichenden Schutz vor seitlich wegfliegenden Partikeln.
Beschädigte Brillen weiter tragen: Kratzer und Risse reduzieren Schutzwirkung erheblich.
Keine oder schlechte Reinigung: Staubige, verschmutzte Brillen werden mit trockenen Tüchern abgewischt → Kratzer. Immer erst abspülen.
Über der Stirn tragen statt auf den Augen: “Nur kurz” ohne Schutzbrille arbeiten – häufigste Ursache für Augenverletzungen. Unfälle passieren unerwartet.
Schutzbrille teilen: Unhygienisch und Passform stimmt meist nicht. Jeder sollte eigene, angepasste Schutzbrille haben.
Optische Klasse 2 oder 3 für Dauernutzung: Führt zu Augenermüdung, Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen.
Anti-Beschlag ignorieren: Beschlagene Brillen werden abgenommen oder hochgeschoben – kein Schutz mehr.
Kombination mit Atemschutzmaske ohne Vorbereitung: Atemluft beschlägt Brille sofort. Anti-Fog-Beschichtung und richtige Maskenpassform (Nasenclip) wichtig.
Billigprodukte ohne CE-Kennzeichnung: Bieten oft unzureichenden Schutz, schlechte optische Qualität.
Kosten und Preis-Leistungs-Verhältnis
Einfache Bügelbrille: 3 bis 10 Euro. Für gelegentliche Nutzung, geringe Risiken.
Vollsichtbrille (Standard): 8 bis 25 Euro. Solide Qualität für die meisten Anwendungen. Bekannte Marken (Uvex, 3M, Bolle) bieten bessere Passform und Haltbarkeit.
Premium-Vollsichtbrille: 25 bis 50 Euro. Hochwertige Beschichtungen, sehr guter Tragekomfort, langlebig. Lohnt sich bei täglicher Nutzung.
Korbbrille/Vollsichtbrille: 10 bis 35 Euro. Je nach Ausstattung (Anti-Fog, Anti-Kratz, Belüftung).
Überbrille: 10 bis 30 Euro. Größenabhängig und Ausstattung.
Schutzbrille mit Sehstärke: 80 bis 200 Euro. Individuelle Anfertigung, abhängig von Sehstärke und Ausstattung. Vom Arbeitgeber zu tragen.
Schweißerschutzbrille (fest): 15 bis 40 Euro.
Schweißerschutzbrille (automatisch): 40 bis 300 Euro. Einsteigermodelle ab 40 Euro für Heimwerker, Profimodelle 150 bis 300 Euro.
Laserschutzbrillen: 80 bis 500 Euro. Wellenlängenspezifisch, hohe Sicherheitsanforderungen.
Ersatzscheiben: 5 bis 20 Euro pro Paar (wenn austauschbar).
Faustregel: Investieren Sie in Qualität. Eine gute Schutzbrille für 20 bis 30 Euro von etabliertem Hersteller schützt besser, sitzt komfortabler und wird konsequenter getragen als Billigprodukte für 5 Euro. Bei täglicher Nutzung sind Premium-Modelle mit hochwertigen Beschichtungen ihr Geld wert.
Rechtliche Konsequenzen bei Nichtbeachtung
Arbeitnehmer: Wer vorgeschriebenen Augenschutz nicht trägt, begeht Ordnungswidrigkeit. Arbeitsrechtliche Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung) möglich. Bei Augenverletzung durch Nichtverwendung kann Berufsgenossenschaft Leistungen kürzen.
Arbeitgeber: Fehlende oder ungeeignete Schutzbrillen bei augengefährdenden Tätigkeiten sind Ordnungswidrigkeit (Bußgeld bis 25.000 Euro). Bei Augenverletzungen durch unterlassenen Schutz droht strafrechtliche Verfolgung (fahrlässige Körperverletzung) und zivilrechtliche Schadensersatzforderungen.
Führungskräfte und Sicherheitsbeauftragte: Können persönlich haftbar gemacht werden, wenn sie Verstöße dulden.
Augenverletzungen gehören zu den schwersten Arbeitsunfällen mit oft lebenslangen Folgen. Prävention durch konsequenten Augenschutz ist individuell und volkswirtschaftlich sinnvoller als Behandlung irreversibler Schäden.
Fazit: Die richtige Schutzbrille schützt Ihr Augenlicht
Augenverletzungen am Arbeitsplatz sind häufig, schwerwiegend und meist vermeidbar. Die richtige Schutzbrille, passend ausgewählt und konsequent getragen, bewahrt Ihr Augenlicht.
Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
- EN 166 ist die maßgebliche Norm – CE-Kennzeichnung prüfen
- Optische Klasse 1 für dauerndes Tragen wählen
- Mechanische Festigkeit an Gefährdung anpassen: F für leichte Arbeiten, B für Standard-Handwerk, A für extreme Risiken
- Bauform nach Gefährdung: Bügelbrille nur bei geringen Risiken, Vollsichtbrille für die meisten Arbeiten, Korbbrille für Staub/Spritzer
- Beschichtungen erhöhen Komfort: Anti-Fog und Anti-Kratz sind Standard für professionellen Einsatz
- Brillenträger: Kontaktlinsen, Überbrille oder Schutzbrille mit Sehstärke – es gibt für jeden eine Lösung
- Pflege erhält Schutzwirkung: Regelmäßig reinigen, richtig lagern, rechtzeitig austauschen
- Qualität zahlt sich aus: Komfortable Schutzbrillen werden konsequent getragen
Investieren Sie in hochwertige Schutzbrillen von etablierten Herstellern. Lassen Sie sich beraten, testen Sie verschiedene Modelle und wählen Sie die Brille, die am besten zu Ihrer Arbeit und Gesichtsform passt. Tragen Sie sie konsequent – bei jeder augengefährdenden Tätigkeit, ohne Ausnahme.
Ihr Augenlicht ist unbezahlbar. Einmal verloren oder geschädigt, lässt es sich nicht wiederherstellen. Schützen Sie Ihre Augen jetzt, solange sie noch gesund sind. Eine Schutzbrille für 20 Euro kann verhindern, was keine Medizin heilen kann.



