Warum die Gefährdungsbeurteilung für PSA unverzichtbar ist

Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument im Arbeitsschutz, um Beschäftigte vor Unfällen und Gesundheitsschäden zu schützen. Sie ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern bildet die Grundlage für die Auswahl der richtigen Persönlichen Schutzausrüstung. Ohne eine systematische Analyse der Gefährdungen kann nicht festgestellt werden, welche PSA tatsächlich benötigt wird und welche Schutzklasse erforderlich ist.

Viele Betriebe unterschätzen die Bedeutung einer gründlichen Gefährdungsbeurteilung. Die Folge: Es wird entweder unzureichende PSA bereitgestellt, die keinen ausreichenden Schutz bietet, oder es wird überdimensioniert, was unnötige Kosten verursacht und die Akzeptanz bei den Mitarbeitern senkt. Eine fachgerecht durchgeführte Gefährdungsbeurteilung verhindert beides und sorgt für optimalen Schutz bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit.

Gesetzliche Grundlagen der Gefährdungsbeurteilung

Die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung ergibt sich aus mehreren rechtlichen Grundlagen. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber in Paragraf 5, die Arbeitsbedingungen zu beurteilen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen. Die PSA-Benutzungsverordnung konkretisiert diese Pflicht speziell für Persönliche Schutzausrüstung.

Nach der DGUV Vorschrift 1 müssen Gefährdungsbeurteilungen dokumentiert werden, sobald ein Betrieb mehr als zehn Beschäftigte hat. In kleineren Betrieben besteht zwar keine Dokumentationspflicht, die Durchführung der Beurteilung selbst ist jedoch auch hier verpflichtend. Die Berufsgenossenschaften stellen branchenspezifische Handlungshilfen bereit, die den Prozess erleichtern.

Bei Verstößen gegen die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung drohen Bußgelder bis zu 25.000 Euro. Noch schwerwiegender sind mögliche strafrechtliche Konsequenzen bei Arbeitsunfällen, wenn nachgewiesen werden kann, dass eine fehlende oder mangelhafte Gefährdungsbeurteilung zur Ursache wurde.

Das STOP-Prinzip: Rangfolge der Schutzmaßnahmen

Bevor PSA zum Einsatz kommt, müssen nach dem STOP-Prinzip zunächst andere Schutzmaßnahmen geprüft werden. PSA steht in der Hierarchie der Schutzmaßnahmen an letzter Stelle und darf nur dann eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen.

Substitution steht an erster Stelle: Können gefährliche Stoffe, Verfahren oder Arbeitsmittel durch weniger gefährliche ersetzt werden? Ein Beispiel ist der Ersatz von lösemittelhaltigen durch wasserbasierte Lacke, wodurch Atemschutz überflüssig wird.

Technische Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen. Dazu gehören Absaugungen an Schleifmaschinen, Schallschutzkabinen an lauten Maschinen oder Absturzsicherungen wie Geländer statt Auffanggurte. Technische Lösungen wirken unabhängig vom Verhalten der Beschäftigten und sind daher besonders zuverlässig.

Organisatorische Maßnahmen umfassen Arbeitsablaufänderungen, Zeitbegrenzungen bei belastenden Tätigkeiten oder Zutrittsbeschränkungen zu Gefahrenbereichen. Ein Beispiel ist die Begrenzung der Arbeitszeit in Lärmbereichen durch Job-Rotation.

Erst wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht umsetzbar sind, kommt Persönliche Schutzausrüstung zum Einsatz. Sie ergänzt die anderen Maßnahmen und bildet die letzte Schutzbarriere. Die PSA muss dabei exakt auf die verbleibenden Gefährdungen abgestimmt sein.

Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Gefährdungsbeurteilung

Schritt 1: Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen

Zunächst müssen alle zu beurteilenden Arbeitsbereiche und Tätigkeiten systematisch erfasst werden. In einem metallverarbeitenden Betrieb könnten dies beispielsweise Bereiche wie Dreherei, Schweißerei, Montage und Versand sein. Für jeden Bereich werden die einzelnen Tätigkeiten aufgelistet.

Wichtig ist eine ausreichend detaillierte Aufgliederung. Pauschale Angaben wie “Produktion” reichen nicht aus. Stattdessen sollten konkrete Tätigkeiten wie “Schleifen von Werkstücken”, “MAG-Schweißen” oder “Bedienung der CNC-Fräse” benannt werden. Nur so können später die spezifischen Gefährdungen ermittelt werden.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen Tätigkeiten, die nur gelegentlich anfallen, aber hohes Gefährdungspotenzial haben – etwa Wartungsarbeiten in engen Behältern oder Arbeiten auf Leitern. Diese werden häufig übersehen, weil sie im Tagesgeschäft wenig präsent sind.

Schritt 2: Gefährdungen systematisch ermitteln

Bei der Gefährdungsermittlung werden alle möglichen Gefahrenquellen identifiziert. Die DGUV unterscheidet verschiedene Gefährdungsfaktoren, die systematisch geprüft werden sollten:

Mechanische Gefährdungen entstehen durch bewegte Maschinenteile, scharfe Kanten, Quetsch- oder Scherstellen, herabfallende Gegenstände oder Stolperstellen. An Baumaschinen drohen beispielsweise Quetschungen, in Lagerhallen Fußverletzungen durch herabfallende Güter.

Physikalische Gefährdungen umfassen Lärm, Vibrationen, extreme Temperaturen, Strahlung oder unzureichende Beleuchtung. Typische Beispiele sind Gehörschäden in Produktionshallen, Augenschäden durch UV-Strahlung beim Schweißen oder Erfrierungen bei Kühlhausarbeiten.

Gefahrstoffe können als Gase, Dämpfe, Stäube oder Flüssigkeiten auftreten. In Lackierereien drohen Gesundheitsschäden durch Lösemitteldämpfe, in Holzverarbeitungsbetrieben durch Holzstäube. Die jeweiligen Sicherheitsdatenblätter geben Aufschluss über spezifische Gefährdungen.

Biologische Gefährdungen spielen in Gesundheitseinrichtungen, Abfallwirtschaft oder Landwirtschaft eine Rolle. Beispiele sind Infektionsrisiken im Krankenhaus oder Allergien durch Tierkontakt.

Brand- und Explosionsgefährdungen müssen bei Arbeiten mit brennbaren Flüssigkeiten, Gasen oder Stäuben berücksichtigt werden. In Schreinereien kann feiner Holzstaub explosionsfähige Atmosphären bilden.

Spezielle physische Belastungen wie schweres Heben, einseitige Körperhaltungen oder sich wiederholende Bewegungen können langfristig zu Muskel-Skelett-Erkrankungen führen.

Für die Ermittlung sind verschiedene Informationsquellen hilfreich: Betriebsbegehungen, Gespräche mit Beschäftigten, Unfallstatistiken, Betriebsanweisungen, Sicherheitsdatenblätter und Herstellerangaben zu Maschinen.

Schritt 3: Gefährdungen bewerten

Nach der Ermittlung wird jede Gefährdung hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und des möglichen Schadensausmaßes bewertet. Daraus ergibt sich das Risiko, das als Grundlage für die Priorisierung von Schutzmaßnahmen dient.

Die Bewertung kann nach verschiedenen Methoden erfolgen. Einfache Matrizen kombinieren Wahrscheinlichkeit (selten, gelegentlich, häufig) mit Schwere (leicht, mittel, schwer) zu einem Risikowert. Komplexere Verfahren nutzen Punkteskalen oder berücksichtigen zusätzliche Faktoren wie die Anzahl gefährdeter Personen.

Ein Beispiel: Das Risiko einer Fußverletzung durch herabfallende Pakete im Lager wird als “gelegentlich” bei “mittlerer Schwere” eingestuft – es ergibt sich ein mittleres Risiko. Der Absturz von einem Dach hingegen ist zwar “selten”, hat aber “schwere” bis “tödliche” Folgen – dies führt zu einem hohen Risiko, das prioritär behandelt werden muss.

Wichtig ist, realistische Einschätzungen vorzunehmen. Theoretische Extremszenarien, die praktisch nie eintreten, führen zu überzogenen Schutzmaßnahmen. Andererseits dürfen tatsächliche Risiken nicht verharmlost werden, nur weil “bisher nichts passiert ist”.

Schritt 4: Schutzmaßnahmen nach STOP-Prinzip festlegen

Ausgehend von der Risikobewertung werden nun geeignete Schutzmaßnahmen bestimmt. Dabei ist die Rangfolge des STOP-Prinzips zu beachten. Für jede ermittelte Gefährdung muss geprüft werden, ob sie durch Substitution, technische oder organisatorische Maßnahmen beseitigt oder ausreichend reduziert werden kann.

Erst wenn diese Maßnahmen nicht greifen, wird PSA eingesetzt. Ein praktisches Beispiel: Bei Schweißarbeiten sollte zunächst geprüft werden, ob ein Verfahren mit geringerer Rauchentwicklung möglich ist (Substitution). Ist dies nicht möglich, wird eine Absauganlage installiert (technische Maßnahme). Reicht die Absaugleistung nicht aus, kommt zusätzlich ein Atemschutzgerät zum Einsatz (persönliche Maßnahme).

Die Dokumentation muss nachvollziehbar begründen, warum PSA erforderlich ist und welche anderen Maßnahmen bereits getroffen wurden. Dies ist wichtig für Überprüfungen durch Berufsgenossenschaften oder Gewerbeaufsicht.

Schritt 5: Geeignete PSA auswählen

Die Auswahl der PSA muss auf Basis der ermittelten Gefährdungen und unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen erfolgen. Dabei sind mehrere Kriterien zu beachten:

Schutzwirkung: Die PSA muss gegen die konkret ermittelte Gefährdung schützen. Für Fußschutz in Lagerbereichen ist beispielsweise eine Zehenschutzkappe (Schutzklasse S1 oder S3) erforderlich. Die genaue Schutzklasse ergibt sich aus zusätzlichen Anforderungen wie Durchtrittsicherheit oder Profil.

Norm-Konformität: Jede PSA muss die CE-Kennzeichnung tragen und die relevanten EU-Normen erfüllen. Für Sicherheitsschuhe ist dies die EN ISO 20345, für Schutzhelme die EN 397. Die Konformität wird durch Prüfzertifikate nachgewiesen.

Kombinierbarkeit: Verschiedene PSA-Komponenten müssen zusammenpassen. Ein Schutzhelm mit integriertem Gesichtsschutz darf die Schutzbrille nicht beeinträchtigen. Bei Atemschutz muss geprüft werden, ob er mit der getragenen Brille kompatibel ist.

Tragekomfort: PSA, die als unbequem empfunden wird, wird häufig nicht oder falsch getragen. Daher sollten Beschäftigte in die Auswahl einbezogen werden. Probetragemöglichkeiten helfen, akzeptierte Modelle zu finden.

Ergonomie: Die PSA darf die Arbeit nicht unnötig erschweren oder zusätzliche Risiken schaffen. Zu schwere Schutzhandschuhe können die Fingerfertigkeit beeinträchtigen und Unfälle begünstigen. Hier gilt es, einen Kompromiss zwischen Schutzwirkung und Praktikabilität zu finden.

Größen und Passform: PSA muss individuell passen. Zu große Sicherheitsschuhe bieten keinen sicheren Halt, zu kleine Schutzhandschuhe schränken die Beweglichkeit ein. Daher sollten verschiedene Größen vorrätig sein.

Pflege und Haltbarkeit: Die Lebensdauer und Pflegeanforderungen beeinflussen die Gesamtkosten. Hochwertige PSA ist in der Anschaffung teurer, hält aber länger und bietet besseren Schutz. Die Kosten-Nutzen-Rechnung sollte die gesamte Nutzungsdauer berücksichtigen.

Schritt 6: Maßnahmen umsetzen und dokumentieren

Nach der Festlegung der Schutzmaßnahmen folgt die Umsetzung. Die ausgewählte PSA wird beschafft und den Beschäftigten zur Verfügung gestellt. Parallel dazu müssen Betriebsanweisungen erstellt werden, die den richtigen Umgang mit der PSA regeln.

Die Unterweisung der Mitarbeiter ist gesetzlich vorgeschrieben und muss mindestens jährlich erfolgen. Sie umfasst die korrekte Benutzung, Pflege, Lagerung und Überprüfung der PSA. Die Teilnahme ist zu dokumentieren. Besonders bei PSA der Kategorie III (hohes Risiko) muss zusätzlich eine praktische Einweisung erfolgen.

Die gesamte Gefährdungsbeurteilung ist schriftlich zu dokumentieren. Sie muss folgende Elemente enthalten: Beschreibung der Tätigkeit, ermittelte Gefährdungen, Risikobewertung, festgelegte Schutzmaßnahmen, ausgewählte PSA mit Begründung, durchgeführte Unterweisungen und Verantwortlichkeiten. Viele Berufsgenossenschaften stellen Formblätter und Software-Tools zur Verfügung, die den Prozess vereinfachen.

Schritt 7: Wirksamkeit überprüfen und anpassen

Die Gefährdungsbeurteilung ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Nach der Umsetzung muss die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft werden. Wird die PSA tatsächlich getragen? Bietet sie ausreichenden Schutz? Gibt es Probleme in der praktischen Anwendung?

Rückmeldungen der Beschäftigten sind dabei wertvoll. Sie erkennen oft Schwachstellen, die bei der theoretischen Planung nicht bedacht wurden. Regelmäßige Begehungen durch Sicherheitsbeauftragte oder Führungskräfte zeigen, ob die PSA konsequent genutzt wird.

Bei festgestellten Mängeln müssen Korrekturen vorgenommen werden. Wird eine PSA nicht akzeptiert, sollte nach Alternativen gesucht werden. Zeigen sich neue Gefährdungen, muss die Beurteilung ergänzt werden. Die Dokumentation ist entsprechend zu aktualisieren.

Praxisbeispiele für verschiedene Branchen

Metallverarbeitung: Schweißarbeiten

In einem Metallbaubetrieb werden regelmäßig MAG-Schweißarbeiten durchgeführt. Die Gefährdungsbeurteilung identifiziert folgende Risiken: UV-Strahlung (Augenschäden, Hautschäden), Schweißrauche (Atemwegserkrankungen), Funkenflug (Verbrennungen, Brandgefahr), Lärm und mechanische Gefährdungen durch scharfe Werkstückkanten.

Nach dem STOP-Prinzip werden zunächst eine stationäre Absauganlage (technisch) und getrennte Schweißkabinen (organisatorisch) eingerichtet. Da dies die Gefährdungen nicht vollständig eliminiert, wird folgende PSA festgelegt:

  • Schweißhelm mit automatischer Verdunkelung (DIN EN 379, Schutzstufe 9-13)
  • Schweißerschutzhandschuhe aus Leder (EN 12477, Typ A)
  • Schweißerschürze aus flammhemmender Baumwolle
  • Sicherheitsschuhe S3 mit Durchtrittsicherheit (EN ISO 20345)
  • Atemschutzmaske FFP2 bei unzureichender Absaugleistung

Die Dokumentation begründet, warum trotz Absaugung zusätzlicher Atemschutz erforderlich ist: Bei mobilen Arbeiten außerhalb der Kabine ist keine stationäre Absaugung möglich.

Bauwesen: Dacharbeiten

Bei Dachdeckerarbeiten steht Absturzgefahr im Vordergrund. Zusätzlich bestehen Risiken durch herabfallende Gegenstände, scharfe Werkzeuge, Witterungseinflüsse und Lärm.

Technische Maßnahmen wie Gerüste mit Seitenschutz oder Dachrandabsicherungen werden bevorzugt eingesetzt. Wenn diese nicht möglich sind, etwa bei kurzfristigen Arbeiten oder schwierigen Dachformen, kommt PSA gegen Absturz zum Einsatz:

  • Auffanggurt mit Falldämpfer (EN 361, EN 355)
  • Verbindungsmittel mit Bandfalldämpfer (EN 354)
  • Anschlagpunkt mit Zertifizierung (EN 795)
  • Schutzhelm mit Kinnriemen (EN 397)
  • Sicherheitsschuhe S3 mit rutschfester Sohle
  • Schnittschutzhandschuhe für Arbeiten mit Handwerkzeugen

Besonders wichtig ist hier die praktische Unterweisung im Umgang mit Absturzsicherungen. Die Mitarbeiter müssen die korrekte Anlage der Gurte, die Auswahl geeigneter Anschlagpunkte und das Verhalten im Notfall beherrschen. Jährliche Übungen sind vorgeschrieben.

Chemische Industrie: Umgang mit Gefahrstoffen

In einem Chemielabor werden verschiedene ätzende und giftige Substanzen verwendet. Die Sicherheitsdatenblätter geben die spezifischen Gefährdungen vor. Die Gefährdungsbeurteilung ergibt: Verätzungsgefahr für Haut und Augen, Inhalationsrisiko, Brand- und Explosionsgefahr.

Technische Maßnahmen wie Abzüge und geschlossene Systeme reduzieren die Exposition. Organisatorisch wird durch Mengenbegrenzung und zeitliche Beschränkung das Risiko minimiert. Die erforderliche PSA richtet sich nach der konkreten Tätigkeit:

  • Chemikalienschutzhandschuhe je nach Stoff (EN 374): Nitril für Lösemittel, Butyl für Säuren
  • Schutzbrille mit Seitenschutz oder Vollsichtbrille (EN 166)
  • Laborkittel aus flammhemmender Baumwolle
  • Geschlossene Sicherheitsschuhe (mindestens S2)
  • Atemschutz bei unzureichender Absaugleistung: FFP3-Maske oder Vollmaske mit Filter je nach Stoff

Eine Besonderheit ist die Notfallausrüstung: Augenduschen und Körperduschen müssen in Reichweite sein, Antidote und Erste-Hilfe-Material für die spezifischen Gefahrstoffe vorgehalten werden.

Typische Fehler bei der Gefährdungsbeurteilung vermeiden

Ein häufiger Fehler ist die fehlende oder unzureichende Dokumentation. Mündliche Absprachen oder mentale Notizen genügen nicht. Die Beurteilung muss nachvollziehbar schriftlich fixiert sein, um bei Kontrollen oder Unfällen als Nachweis zu dienen.

Pauschale Beurteilungen wie “Für alle Tätigkeiten in der Werkstatt: Sicherheitsschuhe und Schutzbrille” greifen zu kurz. Jede Tätigkeit erfordert eine spezifische Analyse. Beim Schleifen können andere Schutzklassen nötig sein als beim Montieren.

Die Nichtbeachtung des STOP-Prinzips führt zu unnötigem PSA-Einsatz. Wenn eine technische Lösung möglich ist, darf nicht vorschnell zu PSA gegriffen werden. Dies ist nicht nur rechtlich problematisch, sondern auch wirtschaftlich unklug, da technische Lösungen langfristig oft günstiger sind.

Das Übergehen der Mitarbeiterbeteiligung mindert die Akzeptanz. Beschäftigte, die ihre Erfahrungen einbringen können und bei der PSA-Auswahl mitwirken, tragen die Schutzausrüstung konsequenter. Ihre Praxiskenntnisse helfen zudem, realistische Lösungen zu finden.

Fehlende Aktualisierungen machen die Beurteilung wertlos. Nach Änderungen in Arbeitsabläufen, bei neuen Maschinen oder Gefahrstoffen sowie nach Unfällen muss die Beurteilung überarbeitet werden. Ein jährlicher Routinecheck sollte im Kalender fest eingeplant sein.

Digitale Tools und Hilfsmittel nutzen

Moderne Software erleichtert die Durchführung und Verwaltung von Gefährdungsbeurteilungen erheblich. Branchenspezifische Programme führen schrittweise durch den Prozess und enthalten vorgefertigte Gefährdungskataloge. Das spart Zeit und stellt sicher, dass keine wichtigen Aspekte übersehen werden.

Viele Berufsgenossenschaften bieten kostenlose Online-Tools an. Die BG ETEM stellt beispielsweise die Software “Gefahren ermitteln – Gesundheit schützen” bereit, die BG BAU bietet “GISBAU-Informationssystem” für den Umgang mit Gefahrstoffen. Diese Tools sind auf die jeweilige Branche zugeschnitten und berücksichtigen aktuelle rechtliche Anforderungen.

Cloud-basierte Lösungen ermöglichen die zentrale Verwaltung aller Beurteilungen im Unternehmen. Verantwortliche haben jederzeit Zugriff, Aktualisierungen sind sofort für alle verfügbar, und Fristenmanagement für Unterweisungen oder Wiederholungsprüfungen läuft automatisch.

Mobile Apps unterstützen bei Begehungen vor Ort. Gefährdungen können direkt mit Fotos dokumentiert, Sprachnotizen aufgenommen und GPS-Daten erfasst werden. Die Daten werden automatisch in die zentrale Datenbank übertragen.

Wichtig ist, dass digitale Tools die fachliche Beurteilung nicht ersetzen können. Sie sind Hilfsmittel, die den Prozess strukturieren und dokumentieren, die eigentliche Bewertung muss aber durch fachkundige Personen erfolgen.

Zusammenarbeit mit externen Experten

Kleine und mittlere Unternehmen verfügen oft nicht über eigene Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Hier helfen externe Sicherheitsberater oder Betriebsärzte. Die Berufsgenossenschaften bieten Beratung und Unterstützung an, häufig kostenlos für ihre Mitgliedsunternehmen.

Auch bei komplexen Gefährdungen oder speziellen Tätigkeiten kann externe Expertise sinnvoll sein. Fachleute für Gefahrstoffe, Lärmschutz oder Absturzsicherung bringen spezialisiertes Wissen ein, das intern nicht vorhanden ist.

Bei der Auswahl externer Berater sollten Qualifikationen geprüft werden. Sicherheitsfachkräfte benötigen eine Ausbildung nach DGUV Vorschrift 2, Betriebsärzte eine arbeitsmedizinische Fachkunde. Erfahrungen in der jeweiligen Branche sind von Vorteil.

Wichtig ist, dass externe Berater die betrieblichen Gegebenheiten genau kennenlernen. Pauschale Checklisten ohne Bezug zu den tatsächlichen Arbeitsprozessen helfen nicht weiter. Gemeinsame Begehungen und intensive Abstimmung mit den Verantwortlichen vor Ort sind erforderlich.

Die Verantwortung für die Gefährdungsbeurteilung bleibt trotz externer Unterstützung beim Arbeitgeber. Er muss die Ergebnisse verstehen, die Umsetzung überwachen und die Dokumentation führen. Externe Berater sind Unterstützer, nicht Ersatz für die eigene Verantwortung.

Fazit: Gefährdungsbeurteilung als Basis für wirksamen Arbeitsschutz

Die systematische Gefährdungsbeurteilung ist der Schlüssel zu einem wirksamen Arbeitsschutzmanagement. Sie stellt sicher, dass die eingesetzte PSA tatsächlich die vorhandenen Risiken abdeckt und nicht überdimensioniert oder unzureichend ist. Die investierte Zeit zahlt sich mehrfach aus: durch weniger Unfälle, höhere Mitarbeiterzufriedenheit und Rechtssicherheit.

Ein strukturiertes Vorgehen nach der beschriebenen Sieben-Schritte-Methode macht den Prozess überschaubar. Die konsequente Anwendung des STOP-Prinzips vermeidet unnötigen PSA-Einsatz und fördert nachhaltige Lösungen. Die Einbeziehung der Beschäftigten steigert Akzeptanz und Wirksamkeit.

Moderne digitale Tools vereinfachen die Durchführung und Verwaltung erheblich. Sie ersetzen jedoch nicht die fachliche Beurteilung durch qualifizierte Personen. Bei Unsicherheiten oder komplexen Gefährdungen sollte externe Expertise hinzugezogen werden.

Die Gefährdungsbeurteilung ist kein einmaliger Verwaltungsakt, sondern ein lebendiger Prozess. Regelmäßige Überprüfungen, Aktualisierungen bei Änderungen und kontinuierliche Verbesserung machen sie zum wirksamen Instrument für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.